ROLAND KAMPMEYER BERICHTET VON DER INMAN CONNECT 2024
Wie jedes Jahr so habe ich auch 2024 wieder die Inman Connect in New York als erstes Event des Jahres gewählt, um meine Zukunftsstrategien weiterzuentwickeln. Vor über 20 Jahren hat Brad Inman, Gründer von Inman News, das regelmäßige Summit der Immobilien- und Technologiebranche gestartet. Seitdem wird die Immobilienwelt auf der Inman Connect technologisch immer wieder neugedacht. So entstehen ein offener Erfahrungsaustausch, zusätzliches Wissen und kreative Zusammenarbeit unter Maklerkollegen und Technologieexperten aus der ganzen Welt. Die zahlreichen Sessions der Konferenz mit den Kernthemen Marketing, Technologie und Entwicklung der Immobilienmärkte, die insgesamt von mehreren Tausend Teilnehmer besucht wurden, haben diesmal besonders klar gezeigt, wie unfassbar hoch die derzeitige Dynamik ist, mit der sich die Branche aus der digitalen Revolution heraus entwickelt.
Brad Inman, Gründer von Inman News
UNBEGRENZTE MÖGLCIHKEITEN, SICH ZU STREITEN
Die Vereinigten Staaten bieten in so gut wie jeder Hinsicht endlosen Raum für Skandale und Personalien. Das gilt auch für die National Association of REALTORS (NAR) als die größte Handelsorganisation des Landes. Drei Präsidenten in sechs Monaten sind klare Indizien dafür, dass die NAR außer Stande ist, ihr öffentliche Ansehen und das Vertrauen ihrer Mitglieder aufrechtzuerhalten. Moralische Verfehlungen, und Kartellrechtsverstöße durch Regeln, die den Wettbewerb einschränken oder den Zugang zu Informationen behindern, haben genauso zum Verlust von Ansehen und Vertrauen geführt wie Interessenkonflikte zwischen Mitgliedern und Auseinandersetzungen mit anderen Marktteilnehmern. Käufer klagen gegen Provisionsforderung, weil ihr „Buyers Agent“ nicht ausreichend über die Immobilie informiert haben, andere verweigern einfach die Zahlung und wieder andere klagen gegen rechtswidrige Absprachen der Unternehmen. Um die unzähligen Verfahren und Sammelklagen schneller zu beenden, haben sich bereits einige Maklerhäuser wie Keller Williams, RE/MAX oder Anywhere auf teure Vergleiche eingelassen.
Lautstarke Kritiker wie die prominenten Immobilienmakler Jason Haber und Mauricio Umansky nutzen die verfahrene Situation der NAR publikumswirksam für sich. Wie die New York Times am ersten Tag der Inman Connect berichtete, halten die beiden Immobilienprofis die Zeit für eine Alternative zur etablierten Organisation für gekommen. Nachdem Haber auch wegen einer „Kultur der Angst“ einen Rechenschaftsbericht forderte, zeigen die beiden sich jetzt für eine Zusammenarbeit beim Aufbau einer neuen Organisation und Interessenvertretung für Immobilienmakler offen.
Das Wall Street Journal berichtet vor wenigen Tagen ebenfalls ausführlich und beschreibt die NAR angesichts der zahlreichen rechtlichen Auseinandersetzungen um die Provisionen von „Buyers-Agents“ als unflexibel und ohne wirklichen Kontakt zu ihren Mitgliedern. Die Autoren des Artikels gehen davon aus, dass Käufer in den USA von dieser tiefen Krise der Organisation in der Auseinandersetzung über die Maklerhonorare profitieren.
VERÄNDERTE RAHMENBEDINGUNGEN
Den Immobilienmarkt in den Vereinigten Staaten hat es in den vergangenen zwei Jahren hart getroffen. Die Hypothekenzinsen stiegen zeitweise auf über 8 Prozent und haben sich derzeit bei rund 6,5 Prozent eingependelt. Die Wucht der Zinsentwicklung ließ kaum jemandem Zeit zu reagieren. Das Transaktionsvolumen ging um bis zu 50 Prozent zurück. Dass ein Rückgang der Zinsen bei weiter rückläufiger Inflation zwischen 5,5 und 6 Prozent bis Ende 2024 prognostiziert wird, könnte den Erholungsprozess in diesem Jahr beschleunigen. Der Housing Affordability Index zeigt, wie viel Prozent des Einkommens für Wohnen aufgewendet werden und verdeutlicht allerdings, dass einige Städte den kritischen Wert von 33 Prozent erreicht oder sogar überschritten haben. In Denver beträgt er 40 Prozent, in Orlando 35 und in Phoenix 33 Prozent. Besonders hart stellt sich die Situation wegen ihres geringen Eigenkapitals für Millennials dar. Der Anteil der Käufer aus dieser Generation ist im Jahr 2023 von 43 Prozent im Vorjahr auf 28 Prozent gesunken. Zum Vergleich: Babyboomer machen mit einem Anteil von 39% derzeit die größte Käufergruppe dar.
COSTAR
Für Gesprächsstoff auf der Konferenz sorgte Andy Florance, Gründer und Chief Executive Officer der CoStar Group. Das Unternehmen ermöglicht mit seinen Wirtschafts-informationsdiensten im Immobiliensektor tiefe Einblicke in die Märkte auf Basis umfangreicher Daten und Analysen. CoStar hat im Laufe der Jahre durch zahlreiche Akquisitionen und die Erweiterung des Produktportfolios seine Marktposition bemerkenswert ausgebaut und spielt inzwischen eine zentrale Rolle in der digitalen Transformation der Immobilienbranche. Zu der hundertprozentigen Tochtergesellschaft der CoStar Group gehört auch Thomas Daily, seit rund 30 Jahren ein führender Anbieter von Daten und Informationen über gewerbliche Immobilienmärkte in Deutschland. Mit der Übernahme der US-Plattform Homes.com im Jahr 2021 wurde deutlich, dass CoStar auch den Wohnimmobilienmarkt deutlich ins Visier nimmt. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres übernahmen die Amerikaner schließlich OnTheMarket, eines der erfolgreichsten Immobilienportale und direkter Konkurrent von Rightmove in Großbritannien und setzten auch in Europa ein deutliches Ausrufezeichen.
Brad Inman im Gespräch mit Andy Florance
Teil der US-Strategie ist es, der Dominanz des Konkurrenten Zillow entgegenzuwirken. Sie kommt auch im historisch hohen Marketingbudget von 600 Millionen Dollar zum Ausdruck, die von Homes.com pünktlich zum Super-Bowl, dem Finale des US-amerikanischen American-Football-Profiliga, gestartet wurde. Zum Vergleich: Das Marketingbudget von Zillow wird auf rund 150 Millionen geschätzt. Die Barreserven von Zillow betragen im dritten Quartal 2023 3,2 Milliarden Dollar und die von CoStar 5 Milliarden. Zwischen den beiden digitalen Giganten mit gut gefüllten Taschen wird ein harter Wettbewerb ausgetragen, der hoffentlich in noch intelligenteren Funktionen und innovativen Features zum Ausdruck kommen wird.
Was CoStar insbesondere von Zillow unterscheidet, ist die Strategie, sich auf den Makler als Immobilienanbieter einzulassen. Für Makler bietet Homes.com das frei übersetzte Versprechen „Ihr Listing, ihr Kunde“ während der Makler oder das Maklerhaus bei einem Immobilienangebot auf Zillow kaum sichtbar ist. Bei CoStar steht der lokale Immobilienprofi mit seinem Immobilienangebot deutlich im Vordergrund. Diese Einstellung steht im Kontrast zur reinen Generierung von Leads, die bei Zillow gängige Praxis ist. Verkäufer- wie Käuferkontakte werden von Zillow meistbietend an Makler verkauft. Das ist ein auch in Deutschland bekanntes, aber weniger stark verbreitetes Geschäftsmodell, weil Aufträge auf diese Weise nicht über Markenqualität, sondern viel mehr über monetäre Gegenleistungen generiert werden.
Für mich lautet die kritische Frage, wem die Markenbildung und der Akquisitionseffekt durch hochwertige Angebotspräsentation auf den Plattformen eigentlich zugutekommt. Immobilienportale wirken auf potenzielle Verkäufer, insbesondere dann attraktiv, wenn sie gut aufbereitete Angebote präsentieren. Inserate werden in Form von Bild- und Textmaterial vom Makler gestaltet. Die Informationsqualität beruht fast ausschließlich auf seiner Arbeitsleistung. Deshalb gelten ihm auch die Reaktionen auf seine Inserate, einschließlich der Reaktionen von Eigentümern mit Verkaufsabsicht. Trotzdem werden Makler außer mit stetig steigenden Preisen für die Onlineinserate auch noch mit Kosten für die Leads konfrontiert. Weil die letzten Schritte zum Auftraggeber sensibel vom Makler gegangen werden, erscheint mir die doppelte Bezahlung abwegig. Statt ihre Marktposition zur Durchsetzung immer höherer Preise zu nutzen, sollten die Player lieber auf faire Geschäftsmodelle achten. Noch ist ein digitaler Marktplatz eine teure und komplizierte Sache, die digitale Revolution und KI wird in einigen Jahren zu deutlich intelligenteren Lösungen führen.
KI OHNE ENDE
Apropos KI, Künstliche Intelligenz war das ganz große Thema der Inman Connect. Die Komplexität und Unüberschaubarkeit der Möglichkeiten stellen selbst die Entwickler dauerhaft vor immer neue Herausforderungen. Auf der Konferenz wurden wertvolle Instrumente in einer Power-AI-Session als Beispiel dafür vorgestellt, wie KI hocheffektiv in der Immobilienwelt bereits heute eingesetzt werden kann. Dazu gehören voll automatisierte Telefonate von höchster Ergebnis-Qualität, die blitzschnelle Erstellung von personalisierten Kunden-Videos in allen Sprachen, die sie eigentlich gar nicht sprechen oder die KI unterstützte Immobiliensuche.
inman AI POWER HOUR
Adam Goldberg, Gründungsmitglied im „Go-To-Market“-Team von OpenAI stellte seine Sicht auf die Zukunft des Makelns in der Session „OpenAI and the Art of the Possible: What’s Next for Real Estate“ vor. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass ChatGPT nur eine spezielle Variante ist, erscheint seine Hypothese, ChatGPT verändere 60 Prozent der Jobs, zwar abenteuerlich, sie lässt aber erahnen, dass wir uns noch ganz am Anfang von gigantischen Veränderungen befinden. Für mich ergibt sich daraus die Konsequenz, das Maklerunternehmen weiter auf eine höhere Effektivität und eine Verbesserung von Kundenbeziehungen in einem zunehmend digitalisierten Umfeld auszurichten. Dadurch, dass wir sich wiederholende und zeitaufwändige Aufgaben automatisieren, erhalten wir alle mehr Zeit, uns intensiv und individuell für unsere Kunden einzusetzen. Und das ist gut so.
ZILLOWMANIA
Die Nummer Eins unter den US-amerikanischen Online-Marktplätzen heißt Zillow. Die Strategie des Unternehmens entspricht weniger einem Immobilienportal als vielmehr einer allumfassenden Transaktionsplattform. Präsidentin Susan Daimler hat dieses Selbstverständnis von Zillow auf der Inman Connect wieder deutlich hervorgehoben.
Auf die Frage von Brad Inman, warum es für Zillow normal ist, 40% der Maklerprovision bei einer Transaktion zu beanspruchen erklärt Daimler das Geschäftsmodell, mit dem mit rund 70.000 Maklern sehr erfolgreichen Premier Agent Programm und den Möglichkeiten, die man den Immobilienprofis bietet. Die charismatische Managerin baut Zillows Marktführerschaft konsequent aus. Erst kürzlich hat das Unternehmen die CRM-Software „Follow Up Boss“ für 400 Millionen und zwei Jahre zuvor die Produktivitätsplattform „ShowingTime“ für 500 Millionen Dollar erworben. Die Einkäufe dienen dem Bestreben, sich als zentraler technologischer Vorreiter auf den Immobilienmärkten zu behaupten. Immobilienmakler erhalten Instrumente, mit dem sie ihre Tätigkeit erheblich effizienter und erfolgreicher gestalten können als ohne Zillow. Vorausgesetzt, dass sie so gut wie vollständig auf ein eigenes Branding verzichten und einen erheblichen Anteil ihres Umsatzes beim Dienstleister lassen.
Zillow verzeichnet monatlich über 200 Millionen „Unique-User“. Eine Reichweite, die eine optimale Gestaltung von überwältigend vielen Leads zu Käufer und Verkäufern ermöglicht. Dabei wird größten Wert auf erfolgversprechende Qualifizierungen und zielführende Lead-Strecken gelegt. Die allumfassenden Transaktionsplattform ist das Paradebeispiel für Unternehmen, die sich kontinuierlich digital transformieren. Durch sofortige Integration neuer Technologien und virtuell gesteuerte Dienste werden ständig neue Einnahmequellen und Geschäftsbereiche generiert. Die Fähigkeit, sich kontinuierlich anzupassen und innovative Lösungen für die ständig neuen Bedürfnisse von Maklern und Kunden zu entwickeln, ist kaum zu fassen. In meinen Augen ist das das beste Management für eine zukunftssicherer Expansionsstrategie.
UND HIER SO?
Europa und insbesondere Deutschland stehen den hohen Geschwindigkeiten mehr oder weniger tatenlos gegenüber und bleiben deshalb bereits jetzt ziemlich weit außen vor. Während die US-amerikanischen Player hervorragend auf die Neuordnung der Branche ein- und bereits bestmöglich für sie aufgestellt sind, scheint bei uns alles etwas anders.
ImmobilienScout24 schaltet lieber wenige Tage vor Weihnachten wegen Streitigkeiten die API-Schnittstelle der Maklersoftware OnOffice ab, um sich danach bis ins höchste Management hinein einen mehrtägigen Schlagabtausch auf Social-Media-Kanälen zu liefern. Mit der Übernahme der Mehrheit bei Sprengnetter im vergangenen Jahr beabsichtigt ImmobilienScout24 laut eigener Aussage die Bewertungsprozesse zu vereinfachen. Ein Schritt der sinnvoll erscheint. Ob und wie sich das tatsächlich auf das Angebot für Makler auf der Plattform auswirkt, ist bisher jedenfalls noch nicht zu erkennen. Wir dürfen weiter gespannt sein.
Die Frage, was die Axel Springer-Tochter AVIV Group mit den deutschen Onlinemarktplätzen Immowelt und Immonet sowie mit dem Online-Makler Homeday oder mit ähnlichen weiteren Investments in Europa eigentlich vorhat, bleibt derzeit ebenfalls unbeantwortet.
Adevinta, der börsennotierte, norwegische Konzern und größter Betreiber von Online-Kleinanzeigenportalen weltweit, steht vor dem Verkauf an Investoren. Blackstone und Permira bieten rund 12 Milliarden Euro. Welche Auswirkungen das auf Kleinanzeigen.de und deren engagiertes Bemühen um die deutsche Maklerschaft hat, ist nicht absehbar.
Eins ist allerdings sicher: Sollten Unternehmen wie die CoStar Group sich verstärkt in der europäischen Immobilien-Portalwelt platzieren, käme wohl deutlich mehr Bewegung in die Branche. Ob sie von den USA, von Europa oder vielleicht sogar von Deutschland ausgeht, erscheint mir unwesentlich. Wesentlich ist, dass sich niemand dieser Bewegung erfolgreich widersetzen kann.
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