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Immobilienmarktbericht Köln 2017: Herausforderung Fassade [Gastbeitrag]

Lesedauer: 3 Minuten
26. Mai 2017

Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag von Georg Wintgen im Immobilienmarktbericht Köln 2017. Hier können Sie den Immobilienmarktbericht kostenlos bestellen.

Seit Anbeginn der Baukultur ist die Fassade das augenfälligste und wesentlichste Merkmal jedes Bauwerks. Sie ist das Angesicht, die Visitenkarte des Hauses und Ausdruck ihrer Zeit, ihrer Region und verrät vieles über die Stellung und die Absichten ihrer Erbauer. Die Fassade kann einladen oder abweisen. Sie kann Ausdruck des Innenlebens eines Bauwerks sein. Sie kann protzig vom Reichtum ihrer Erbauer berichten oder zurückhaltend und zweckmäßig sein. Die Fassade trägt wesentlich zum Stadtbild bei und spiegelt wider, welche Stadtgesellschaft sie beherbergt. Vor allem im Städtebau unterliegt die Fassade daher auch einem öffentlichen Interesse. Die Fassade der Stadt ist die Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Raum. Die Vernachlässigung und Missachtung ihrer Gestaltung, Unterhaltung oder der Modernisierung stellen daher wichtige bauliche Herausforderungen dar.

Steigende Anforderungen an die Fassade

Die Fassade ist stark beansprucht. Neben den Repräsentationszwecken soll sie das Gebäude schützen und gleichzeitig beleben. Licht und Luft soll die Fassade in den Bau lenken und vor Wind und Wetter schützen. In der Gegenwart wird die Fassade zunehmend unter dem Aspekt der steigenden Anforderungen an Energieeinsparung immer stärker herausgefordert. Bei Büroneubauten oder Revitalisierungen werden Fassaden zu komplexen Gebäudehüllen, intelligenten Systemen, die Belichtung und Belüftung, Verschattung und die Erzeugung von Energie mittels Photovoltaik-Elementen übernehmen. Daher ist es ist höchste Zeit, den Fassaden wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Wärmedämmverbundsystem

In den vergangenen Jahren hat sich in vielen Bereichen des Neubaus und in der Sanierung die Dämmung der geschlossenen Fassadenteile mit Wärmedämmplatten aus Polystyrol durchgesetzt. Die auch als Wärmedämmverbundsystem (WDVS) bezeichnete Beschichtung hat viele Vorteile: Sie ist sowohl für den Neubau als auch für die Altbausanierung sehr anpassungsfähig und gibt je nach System eine makellose Oberfläche mit Putzoptik ab, die auch allen denkbaren Farbgebung offen steht. Im Zusammenspiel mit Fensterelementen ist der gewünschte Vollwärmeschutz dieses meist als Lochfassade bezeichneten Fassadentyps gewährleistet.

Diese Art und Weise der Dämmung sieht sich jedoch in den letzten Jahren auch wachsender Kritik ausgesetzt. Und in der Tat sind die technischen Probleme, wie schnelle Veralgung bzw. Vergrauung, Begünstigung von Schimmelbildung ein fragwürdiges Brandschutzverhalten und nicht zuletzt, die erschwerte und damit teure Entsorgung, berechtigte Kritikpunkte. Weiter behaupten ihre Gegner, dass sich die starken, gesetzlich geforderten Dämmmaßnahmen finanziell nicht rentieren, mit den Folgen einer Überbelastung der Bauherren und Mieter mit hohen Bau- bzw. Mietkosten und wenig positiven Effekten für die Umwelt. Ein weiterer Vorwurf, der auf dieser Dämmform lastet, ist eine baukulturelle Besorgnis: Die starke Vereinheitlichung unserer Fassaden wird beschleunigt und die regionale Vielfalt und Bautradition schwindet immer schneller. Vor allem wenn Bestandsfassaden mit charakteristischen Oberflächen wie z.B. aus Ziegelmauerwerk überklebt werden und damit ihre Identität verlieren oder Neubaugebiete von Nord bis Süd sich zum Verwechseln ähneln.

Mehr Aufmerksamkeit für die Fassade

Eine Alternative ist eine gründliche Überprüfung der Defizite bei Bestandsimmobilien, bezogen auf alle Bauteile und die Energieerzeugung. Es sollte zu jedem Objekt ein Gesamtkonzept erstellt werden. Oftmals sind Dämmmaßnahmen am Dach, der Kellerdecke und die Modernisierung der Heizung wirtschaftlicher als der Vollwärmeschutz. Bei zweiseitig angebauten Stadthäusern bzw. Reihenhäusern mit einem entsprechend hohen Fensteranteil ist die Fassadenoberfläche, die es zu dämmen gilt, vergleichsweise gering. Neben den besonders in die Kritik geratenen Dämmplatten aus Polystyrol können auch Alternativen z.B. auch solche aus Mineralfaser oder anderen Naturbaustoffen verbaut werden.

Im Neubau wird die Verwendung von herkömmlichen Wärmedämmverbundsystemen aus Polystyrol jedoch zunehmend fragwürdig. Es ist nach wie vor möglich, einschalig mit gedämmten Ziegeln bzw. zweischalig zu bauen. Die Baukultur bietet ein breites Spektrum an traditionellen Baustoffen wie Ziegel, Putz, Keramik, Naturstein, Schiefer, Kupfer, Holz sowie modernen Interpretationen mit Beton, Verbund- und Metallwerkstoffen oder Glas, die eine vielfältige und lebendige Fassadengestaltung ermöglicht.

Ich empfehle daher öfters wieder den Blick zu heben und in die vielen schönen, aber auch traurigen Gesichter unserer Häuser zu blicken.

Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag von Georg Wintgen im Immobilienmarktbericht Köln 2017. Hier können Sie den Immobilienmarktbericht kostenlos bestellen.

Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag von Martin Dornieden im Immobilienmarktbericht Köln 2017. Hier können Sie den Immobilienmarktbericht kostenlos bestellen.

Georg Wintgen [Immobiliengutachter]

Georg Wintgen wurde 1968 in Bergisch Gladbach geboren. Nach Lehre und Fachabitur studierte er in Köln Architektur. Seit 1995 arbeitet und lebt er in Köln als Architekt und Immobiliengutachter und bildet seit 2010 eine Büropartnerschaft mit Paul Pieper in der Kölner Altstadt. 2004 erhielt er den Deutschen Fassadenpreis für die Fassade der KITA Jahnstraße in Wesseling. Seine Mitgliedschaft im BDB (Bund Deutscher Baumeister), wo er seit Jahren im Vorstand der Bezirksgruppe Köln aktiv mitarbeitet, jährt sich zum 25 Mal.

 

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