Die Entwicklungsdynamik des Rhein-Sieg-Kreises mit seinen 19 Städten und Gemeinden gründet sich auf einer Vielzahl von Struktur- und Standortqualitäten. Dazu gehört vor allem die Lage an der Rheinschiene in unmittelbarer Nachbarschaft zu Bonn und Köln, die exzellente Verkehrsanbindung an das überregionale Autobahnnetz, an die nahe gelegenen Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf und Frankfurt sowie an das Hochgeschwindigkeitsschienennetz der Bahn mit dem ICE-Bahnhof in der Kreisstadt Siegburg. Hinzu kommt ein vielfältiges Angebot an Forschungs- und Bildungseinrichtungen, ein breit gefächertes Dienstleistungsspektrum und eine günstige sektorale Zusammensetzung der Wirtschaft mit einer Vielzahl von vorwiegend mittelständischen Betrieben.
Aber nicht nur Wirtschaft und Wissenschaft prägen den Rhein-Sieg-Kreis. Zwischen dem Rand der Voreifel im Westen und den benachbarten Höhenzügen des Bergischen Landes im Osten sowie dem Siebengebirge mit dem Tor zur Rheinromantik im Süden präsentiert sich eine abwechslungsreiche, attraktive Kulturlandschaft mit einer Vielzahl von Sehenswürdigkeiten.
Mit all diesen Qualitäten hat der Rhein-Sieg-Kreis beste Chancen, sich auch weiterhin positiv zu entwickeln. Beispielhaft für diese Einschätzung steht die Prognose des Statistischen Landesamtes Nordrhein-Westfalen (IT NRW): Während sich die Gesamtzahl der Einwohner in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahre 2040 nur geringfügig verändert, wird dem Rhein-Sieg-Kreis ein Bevölkerungswachstum von rund 35.000 auf dann 635.000 Einwohner vorhergesagt. Und dies, obwohl der demografische Wandel mit einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung auch vor dem Kreis nicht Halt macht. Die prognostizierte Bevölkerungszunahme basiert also alleine auf Zuwanderungsgewinnen von außen, in denen sich letztlich nichts anderes als die große Anziehungskraft des Rhein-Sieg-Kreises als Wohn- wie als Wirtschaftsstandort widerspiegelt.
Die positive Entwicklung, die der Rhein-Sieg-Kreis in der Vergangenheit genommen hat, führt zunehmend aber auch zu neuen Herausforderungen. Durch das Wachstum sind Ressourcen in Anspruch genommen worden – und das hat zu Knappheiten geführt: insbesondere bei den Flächen für Wohnen, bei den Flächen für Gewerbe und Industrie und bei der Verkehrsinfrastruktur.
Der Wohnungsmarkt im Rhein-Sieg-Kreis ist, wie in den meisten anderen Regionen Deutschlands, von Nachfrageüberschuss und infolgedessen steigenden Preisen geprägt. Entspannung ist nicht in Sicht. Nicht zuletzt aufgrund der guten wirtschaftlichen Perspektiven, aber auch wegen der zunehmenden Überschwappeffekte aus Bonn und Köln, wird die Wohnungsnachfrage im Rhein-Sieg-Kreis weiterhin hoch bleiben. Es muss also mehr gebaut werden. Einer nachfragegerechten Wohnungsbauentwicklung stehen allerdings in der Praxis zahlreiche Hemmnisse gegenüber wie z. B. fachrechtliche Restriktionen aus Natur-, Landschafts-, Arten-, Boden- oder Trinkwasserschutz. Die bestehenden Defizite bei der Mobilisierung von Bauland lassen sich nicht mehr in kommunaler Eigenregie lösen, sie müssen in regionaler Zusammenarbeit angegangen werden.
Als wichtiges Instrument hat sich in diesem Zusammenhang der Regionale Arbeitskreis Entwicklung, Planung und Verkehr Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler (:rak) erwiesen. Mit seinem aktuellen Projekt NEILA – das Akronym NEILA steht für „Nachhaltige Entwicklung durch Interkommunales Landmanagement“ – erarbeitet der :rak für die gesamte Region ein interkommunal abgestimmtes Siedlungsentwicklungskonzept für Wohnungsbau, Gewerbe und Industrie.
Vor dem Hintergrund ebenfalls zur Neige gehender Flächenreserven für Gewerbe und Industrie und anhaltend hoher Flächennachfrage durch die Wirtschaft haben der Rhein-Sieg-Kreis und die Stadt Bonn eine enge Zusammenarbeit bei der planerischen Bereitstellung und Entwicklung von Gewerbe- und Industrieflächen vereinbart. Dabei sollen Flächenbedarfe, die in Bonn nicht befriedigt werden können, planerisch auf das Gebiet des Rhein-Sieg-Kreises übertragen und als sog. „interkommunale Gewerbegebiete“ zwischen der Stadt Bonn und der jeweiligen Standortkommune des Kreises entwickelt werden. Auf diese Weise werden die Voraussetzungen geschaffen, dass Betriebe ihren Erweiterungs- bzw. Verlagerungsbedarf innerhalb der Region Bonn/Rhein-Sieg decken können und so Abwanderungen verhindert, bestehende Arbeitsplätze gesichert und neue Arbeitsplatzmöglichkeiten geschaffen werden.
Die vielleicht größte Herausforderung für die gesamte Region ist die Verkehrssituation. Die erfolgreiche Entwicklung der Region hat in Verbindung mit der engen räumlichen und wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem Rhein-Sieg-Kreis und der Stadt Bonn die Pendlervolumina ständig zunehmen lassen. Da der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mit diesem Wachstum nicht Schritt gehalten hat, bilden sich insbesondere in den Hauptverkehrszeiten, wenn die Berufspendler unterwegs sind, Staus.
Es besteht großer und unmittelbarer Handlungsdruck. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur sind wichtig, benötigen aber viel Zeit. Kurzfristig erfolgversprechend sind dagegen Maßnahmen, die auf Verhaltensänderungen hinwirken. Dazu haben der Rhein-Sieg-Kreis zusammen mit der Stadt Bonn und dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg das Programm „Jobwärts“ gestartet. In „Jobwärts“ werden vor allem die großen Arbeitgeber der Region zum Thema Mobilität beraten, es werden Analysen und Maßnahmenpläne erstellt, um den Berufspendlerverkehr zu entlasten und mehr Menschen in den ÖPNV oder aufs Fahrrad zu bekommen. Aufgrund seines Erfolg versprechenden Ansatzes wird das Programm vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit im Rahmen des Lead-City-Programms der Stadt Bonn gefördert.
Dieser kurze Überblick macht deutlich: Der Rhein-Sieg-Kreis und die gesamte Region haben in der Vergangenheit die Wachstumschancen genutzt. Im Zuge dieser erfolgreichen Entwicklung sind in einigen Bereichen aber auch so etwas wie „Wachstumsschmerzen“ entstanden. Die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen gehört zu den wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre.