Es war Mitte Dezember. Köln überzog ein asphaltgrauer Himmel. Die Domspitzen verschwanden in der grauen Suppe und waren seit Tagen nicht mehr zu sehen. Schnee lag keiner und so fieberten die Kölner zwischen spätherbstlichen Temperaturen und frostigen Winden Weihnachten entgegen.
Das Dreieck legte langsam die Gabel und das Messer nebeneinander ab, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und atmete schwer aus: „Ich kann nicht mehr“. Vor ihm standen drei fast leere Teller. Nur noch ein einsames Klümpchen Kartoffelpüree, eine angebissene Blutwurst, Roggen-Krümel, abgeschnittene Käseränder, runtergekratzte Zwiebelstücke und ein verschmierter Klecks dunkler Bratensauce waren übrig geblieben. „Der Nachtisch kommt doch noch“.
Neben dem Dreieck saß Jana Ritter, die er im Sommer im Dom-Fall kennengelernt hatte. Ihnen gegenüber fummelte Lilly hochkonzentriert an ihrem Handy herum, neben ihr Timo, der kopfschüttelnd seine Aufmerksamkeit der Speisekarte widmete. „Ich sag’s euch ‚Instagram-Gold’ wird das!“ Mit schnellen Fingern hellte sie das aus der Vogelperspektive aufgenommene Foto auf, schnitt überflüssigen ‚Tisch’ ab und zentrierte das Motiv im quadratischen Rahmen. „Hashtag Foodporn, Hashtag Brauhaus Früh, Hashtag Köln, Hashtag Halve Hahn, Hashtag Sauerbraten, Hashtag Himmel und Ääd, Hashtag Nomnom, Hashtag Yummy Mittagessen mit meinem Schatz und… wie heißt du bei Instragram, dann tagge ich dich?“ Lilly schaute das Dreieck fragend an. „…äh… @kampmeyerimmobilien…“ erwiderte das Dreieck und betonte jede Silbe ganz langsam.
Die vier waren auf einer Mission. Sie hatten ein Date mit Köln. Natürlich kann man an einem Tag nicht alles machen, aber sie hatten sich eine To-Do-Liste geschrieben. Bereits am Vormittag frühstückten sie im Goldmund in Ehrenfeld mit anschließendem Spaziergang durch den Bezirk. Lilly blieb alle Meter stehen und schoss ein Foto nach dem anderen und brabbelte ‚Instagram-Gold, Leute, Instagram-Gold!’ während sie die überdimensionalen Murales und bunte Streetart in den Seitenstraßen ablichtete.
Nach der Erkundungstour durch Ehrenfeld ging es in den Norden von Köln, nach Riehl in die Flora. Dort gibt es die einzige Palmenallee Deutschlands zu bewundern. An Lillys merklich zurückgegangenem Einsatz ihrer Handykamera erkannte das Dreieck, dass es nicht ihre Station war „Kein blauer Himmel, kein Strand. Da brauch ich mir gar nicht die Mühe machen“, schimpfte Lilly und trottete Timo hinterher, ohne dem Botanischen Garten viel Aufmerksamkeit zu schenken. Auch der Abstecher an den Schnullerbaum im Rheinpark wollte Lilly nicht überzeugen und so machten sich die vier über die Hohenzollernbrücke zurück auf den Weg in die Innenstadt für ein fulminantes Mittagessen im Cölner Hofbräu Früh am Dom, in dem sie gerade saßen, müde vom Vormittag und geschafft von dem vielen Essen.
„Ich hab fünf neue Follower. Läuft.“, merkte Lilly an, als sie das Früh verließen und rüber zum Dom schlenderten. „Timo, lass mal Periscope vom Weihnachtsmarkt machen!“ Irgendwie war das Dreieck froh, dass alles nicht mitmachen zu müssen. Die Kids sehen ja alles nur noch durch ein Smartphone. „Wusstet ihr übrigens, dass der Dombau 632 und 3 Monate gedauert hat?“, fragte Lilly beiläufig als sie das Handy über den Kopf streckte um ein Foto vom imposanten Bauwerk zu machen. „Woher weißt du denn sowas?“, fragte Timo irritiert. „Hab ich im Internet gelesen“, erwiderte Lilly. „Wusstest du, dass der Rhein ein Gefälle von 0,2 Grad hat? Oder, dass die Gelbphasen in Köln eine Sekunde länger – also vier Sekunden dauern? Oder, dass Konrad Adenauer die Soja-Wurst erfunden hat? Hab ich glaub ich bei Pinterest…Timmm“. Timo gab ihr einen Kuss und Lilly vergaß ganz, was sie gerade sagen wollte. Die beiden waren seit der Geschichte in Paris unzertrennlich.
Als die vier über den Weihnachtsmarkt schlenderten, dachte das Dreieck daran, dass es bald wieder ins Büro zurückkehren würde. Es spürte, wie sein Herz einen kleinen Freudensprung machte, als es an seine Kollegen dachte, mit denen es so gerne herumalberte, meistens auf seine Kosten. „Bist du schon wieder blau ins Büro gekommen“ wird sich wohl in 2016 auch nicht ändern. Es freute sich richtig darauf, mittags im Konferenzraum am Fenster zu stehen, auf St. Georg und das geschäftige Treiben auf der Baustelle des 2009 eingestürzten Historischen Stadtarchivs zu schauen. Und es freute sich natürlich auf den köstlichen Kuchen zum Wochenmeeting.
Nachdem sich das Dreieck von Jana, Timo und Lilly nach ihrer Sightsseing-Tour durch Köln verabschiedet hatte, ließ es sich noch ein wenig durch die Innenstadt treiben, vorbei an der kunstvollen Installation ‚Dropped Cone’ am Neumarkt, zählte es die Sekunden an der Ampel und stand plötzlich am Waidmarkt 11 und drückte sich am Schaufenster zum Shop die Ecke platt. Keine mehr da, aber heute ist doch Mittwoch.
Es nahm zwei Treppen auf einmal und stand kurze Zeit später vor der Tür zum Büro. Durch die Glastür konnte es seine Kollegen beim Wochenmeeting sehen, auf dem Tisch ein angeschnittener Kirschkuchen. Es schlich durch die Tür und setzte sich an seinen Platz. Sogleich hatte es ein großes Stück Kuchen vor sich stehen. Es war wieder zu Hause.
Wir zeigen 2015 Köln und andere spannende Orte in Deutschland aus ungewohnter Perspektive. Das blaue Dreieck, das “A” aus dem Logo von KAMPMEYER wird begleitet von unserer Autorin Anna-Katrin Keller.
Alle Geschichten vom Dreieck lesen Sie hier.
Stichworte: Abenteuer, Dreieck, Ehrenfeld, Früh, Jubiläum, Köln, Logo, Murales, Palmenallee, Rhein, Schnullerbaum, Street Art
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