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20. Jubiläum Dreieck auf Reisen Möglichkeiten

Die Kunst der Interpretation – Das Dreieck auf Reisen Teil 4

Lesedauer: 4 Minuten
18. März 2015

Plötzlich packte jemand das Dreieck an seiner Ecke. Noch bevor es etwas sagen konnte klemmte es unter einem fremden Arm. Ecke-Über konnte es weder etwas sehen noch hören. Das Dreieck bekam Panik. Gefolgt von Schnappatmung und stockenden Schluchzern, gedämpft durch die dicke Outdoor-Jacke des Mannes, der das Dreieck offensichtlich entführen wollte. Eigentlich hatte der Tag doch so vielversprechend angefangen: Sein Plan, Köln besser kennen zu lernen, war in vollem Gange. Am Vormittag war es im Kulturquartier und hat es danach lebend über die Cäcilienstraße geschafft, vorbei am „Dropped Cone“ quer durch die Innenstadt bis zum Kölner Dom.

Dreieck auf Reisen Teil 4

18.03.2015, (c) KAMPMEYER Immobilien GmbH / Csaba Peter Rakoczy

Colonia claudia ara agrippinensium ist ein reichlich komplizierter Name, dachte sich das Dreieck, als es vor zwei Stunden dann im Römisch-Germanischen Museum stand. Köln gefiel ihm wesentlich besser, viel einprägsamer. Als stilisierter Buchstabe konnte es ein Liedchen davon singen: „Keep it short and simple!“, sagte es immer zu den anderen Buchstaben, wenn die mal wieder in zu verschachtelten Sätzen dachten. Es hatte sich die große Keramik- und Glassammlung angeschaut, studierte das Diatretglas ausgiebig, ging vorbei am Dionysos Mosaik, das 1941 beim Bau des Dombunkers entdeckt wurde und stand einige Zeit vor der türkisfarbenen zeitlosen Büste des Augustus, erster römischer Kaiser und Alleinherrscher über das Imperium Romanum bis er 14 nach Christus verstarb.

Einige Zeit schloss sich das Dreieck unauffällig einer Schulklasse an, die an ihrem Wandertag eine Führung durch das Museum machte. Köln haben wir Kaiser Augustus zu verdanken, der vor 2000 Jahren aus Rom den Befehl gab, nach Germanien zu expandieren und so das römische Imperium zu vergrößern. Was man nicht alles im Geschichtsunterricht lernt. Die Schüler um es herum wussten das offensichtlich nicht zu schätzen: Zweidrittel wischten auf ihrem Handy herum, einige hatten Kopfhörer in den Ohren aus denen das Dreieck glaubte, Justin Bieber rauszuhören, andere malten sich mit schwarzem Filzstift Anzüglichkeiten auf den Unterarm. Zumindest eine Form von Kunst, dachte sich das Dreieck.

Die Führung nahm ein jähes Ende, als sich einer der Teenager mit seinem Stift gefährlich dem Dreieck näherte. Es konnte sich noch gerade rechtzeitig aus dem Staub machen, bevor der Junge seine Malerei auf einer Ecke hinterlassen konnte. Es rauschte am Grabmal des Poblicius unter der Käseglocke vorbei nach draußen und blieb außer Atem vor dem Museum stehen. Es hatte doch noch gar nicht alles gesehen! Naja, 2000 Jahre alte Steine werden beim nächsten Besuch auch noch da sein und Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Es würde sich beim nächsten Mal fern von Filzern und wild gewordenen Schulklassen weiter an die Frühzeit wagen.

Davon konnte es gerade nur träumen. Immer noch Ecke-Über wurde dem Dreieck jetzt langsam schwindelig. Es sah nichts und hörte nichts, aber es musste sich konzentrieren und auf seine Umgebung achten. Das hatte es beim Tatort gesehen. Wenn es entkommen sollte, wusste es zumindest wie es nach draußen finden würde, in die Freiheit.

Zwei Mal links und drei Treppenstufen später fand es sich in einem dunkeln Raum wieder. Die Tür fiel zu und das Dreieck war alleine in der Dunkelheit. Das kann doch nicht wahr sein! Es tastete sich langsam an der kalten Wand entlang bis es den Türknauf spürte, lehnte sich einmal mit Schmackes gegen die Tür und stand mitten in einem hell erleuchteten Raum.

„Ich finde es faszinierend. Eine reine Provokation. Es schreit ja förmlich Sinnlichkeit.“

„Da gebe ich dir vollkommen recht, die Farben und die geometrischen Formen: Das knallige Orange und dann der Komplementärkontrast mit dem blauen Dreieck. Ausdrucksstark, keine Frage, aber aufgefallen ist mir das Dreieck noch nie.“

„Aber sieh doch Stefan, das ist doch der Ausdruck reiner Weiblichkeit. Eine Extension des Ausdrucks. Einzigartig. Einfach einzigartig.“

Zwei Herren blieben vor dem Dreieck stehen, blickten es eingehend an und philosophierten über Farbschemata und Formgebung. Zwischendurch rückte sich der dünnere von beiden seine Ray Ban zurecht, der andere hatte nachdenklich den Ellenbogen auf seinen Handrücken gestützt. „Und die roten Lippen. Ein grandioses Piece Pop-Art“, sagte er andachtsvoll und beide gingen weiter.

Von weitem näherte sich eine größere Gruppe Halbwüchsiger, die verdächtig nach Schulklasse aussahen. Das Dreieck suchte das Weite und verlor sich in den Gängen. Vorbei am Harlekin, an M-Möglicherweise und Doppel-Elvis. Es fühlte sich wohl im Museum Ludwig. Hier passte es rein. Er stand bestimmt eine viertel Stunde vor Drunk with God von Gilbert und George dessen Titel auf den Gott des Weines verweist. Gerade hatte es Bacchus in einer anderen Form kennengelernt, auf dem Boden des Dionysos Mosaik. Nur kurz hielt es sich vor Malewitsch’s Suprematistischer Komposition auf. Mag sein, dass Malewitsch weg von alten Ideen ein neues Weltbild schaffen wollte, aber bei diesem Weltbild waren eindeutig zu wenige Dreiecke vertreten. Und plötzlich fand er seine Lieblingsbild: die Pyramiden von Gizeh von 1858 von Fran­cis Frith. Da kam es also her.

Es verlor sich voll und ganz in der Fotografie bis es ruckartig den Boden unter den Ecken verlor und  schnellen Schrittes von dem Mann davon getragen wurde. „Gehörst du nicht in den Jasper Johns Raum? Du bist wohl aus der Weltkarte gefallen? Ach nein, falsche Farbe… ich weiß!“, brabbelte der Mann und stellte das Dreieck einige Minuten später auf einen weißen Sockel, der sich kaum vom Raum oder Boden abhob. Das blaue Dreieck sah aus, als würde es im Raum schweben, bis sich jemand vor es stellte: „Schau Stefan, dieser Ausdruck. In seiner Schlichtheit und Vollkommenheit. Diese Farbe. Einzigartig“ sagte der dünnere von beiden und schob sich die Ray Ban zurück auf die Nasenspitze. „Ja, du hast recht. Reine Provokation. Es schreit ja förmlich Schlichtheit. Aber irgendwie kommt mir das bekannt vor?“ sagte der dickere von beiden, stemmte sich den Ellenbogen auf den Handrücken und blickte das Dreieck nachdenklich an.

Wir zeigen 2015 Köln und andere spannende Orte in Deutschland aus ungewohnter Perspektive. Das blaue Dreieck, das “A” aus dem Logo von KAMPMEYER wird begleitet von unserer Autorin Anna-Katrin Keller.

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